Interaktive Methoden für Online- und Präsenzworkshops: Teil 5

Interaktive Methoden für Online- und Präsenzworkshops: Teil 4
28. Juli 2020
Interaktive Methoden für Online- und Präsenzworkshops: Teil 4
28. Juli 2020
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Interaktive Methoden für Online- und Präsenzworkshops: Teil 5

Der „Eigene Mentor“

Teil 5 der Blog-Serie „Interaktive Methoden für Online- und Präsenzworkshops“

Der eigene Mentor

Nach einer laaangen Blog-Pause, in der nicht nur die pandemie-bedingte Digitalisierung aller Lernformate mich ordentlich auf Trab gehalten hat, sondern auch, wie in so vielen Familien, Homeschooling, Homeoffice und „Home-irgendwie-alles“ für eine Verlagerung der Prioritäten gesorgt haben, freue ich mich jetzt richtig, hier endlich mal wieder zu schreiben, und zwar über eine weitere sehr liebgewonnene Lernmethode.

Auch hier handelt es sich wieder um eine Methode, die sowohl im Präsenz- als auch im Online-Setting sehr gut interaktiv einsetzbar ist. Als Coaching-Tool ist sie gleichermaßen mit Einzelpersonen und Gruppen durchführbar:

 

Der „Eigene Mentor“

 

Worum geht es?

Wechsle deinen Blickwinkel und löse Blockaden

Bei dieser Methode stehen erst einmal gar nicht Lerninhalte oder Lernstoff im Vordergrund. Vielmehr setzt sie einen Schritt vorher an, nämlich da, wo innere Knoten und Blockaden uns oft den Zugang zu einem Thema, einem Inhalt oder einer Situation versperren.

 

Gerade in letzter Zeit ist mir diese Situation in der Lernbegleitung wieder des öfteren begegnet: Ein Klient oder eine Klientin steckt fest in einer inneren Blockade und findet von alleine keinen Ausweg.

Ein Beispiel aus einem kürzlichen Coaching mit einem Studierenden, der sich auf die Abschlussprüfungen seines Jurastudiums vorbereitet hat:

Ich weiß, dass ich lernen muss, finde aber nicht in meine Lernroutine. Ich habe nicht mehr viel Zeit, und es nervt mich, dass ich mich einfach nicht aufraffen kann.“

 

Das ist ein fast schon klassisches Beispiel für eine Lernblockade. Hmmm… wenn wir das Wort „Blockade“ hören, denken wir da in der Regel nicht an ein tiefer sitzendes Problem, möglicherweise begründet in prägenden negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit?

So tief muss es gar nicht gehen. Oft ist schon, wie in diesem Beispiel, die Menge an freier Zeit in der vorlesungsfreien Phase der Prüfungsvorbereitung der Grund dafür, dass dem Alltag auf einmal die Struktur fehlt, der Lern-Berg mit jedem Tag höher wird und die innere Hürde dadurch immer größer.

Knifflig wird es dann, wenn man sich auf einmal in einer sich ständig wiederholenden Schleife wiederfindet, in der man irgendwann selbst davon überzeugt ist, durch eigenes Handeln nichts mehr ausrichten zu können: „Ich kann ja sowieso nichts mehr dran ändern, das ist jetzt eben so.“

Was tun?

 

Die Hürde aus eigener Kraft überwinden

Die Methode „Eigener Mentor“ habe ich vor einigen Jahren kennengelernt, und sie hat mich sofort durch ihre Einfachheit einerseits und schnelle und große Wirksamkeit andererseits überzeugt. Was jetzt wie ein Werbespruch klingt, ist tatsächlich der Fall. Die Methode ist einfach, und sie hilft. Und man kann sie jederzeit als Selbstcoaching-Methode bei sich selbst anwenden. Aus diesem Grund setze ich sie auch gerne und oft im Coaching und in der Lernbegleitung ein.

 

Der „eigene Mentor“ in 5 Schritten

 

Knoten lösen in 5 Schritten

 

Schritt 1

Identifiziere die verzwickte Situation. Welcher Stress plagt dich, worüber grübelst du, wo steckst du fest, was nervt dich? Beschreibe zuerst die Situation, und dann beschreibe dich selbst, wie und wann du diese Situation erlebst. Wo siehst du dich dabei vor deinem inneren Auge? Am Arbeitsplatz, zuhause am Schreibtisch oder auf dem Sofa? Das ist dein Ich 1.

Schritt 2

Wechsle nun die Perspektive. Stell dir vor, dass du selbst den Raum betrittst, in dem du dich befindest, wie in Schritt 1 beschrieben. Du stehst nun also als Ich 2 an der Tür und siehst dein Ich 1 in seiner verzwickten Situation. Für den Moment hast du dich also geklont.

Schritt 3

Gib nun als Ich 2 deinem Ich 1 drei hilfreiche Tipps. Während du dich selbst in deiner dich belastenden Situation beobachtest, gibst du dir drei gutgemeinte, wertvolle, wohlwollende Tipps. Das sind Tipps, die du auch jemandem geben würdest, der dir nahe steht und an dem dir viel liegt. Wenn du drei gute Tipps gefunden hast, suche dir als Ich 1 den Tipp aus, der dir im Moment am hilfreichsten erscheint.

Schritt 4

Spüren mit allen Sinnen. Versuche nun, dir vorzustellen, wie du als Ich 1 diesen Tipp ausprobierst. Stelle dir vor, wie du dich dann fühlst. Wie geht es dir dabei?

Schritt 5

Blick in die Zukunft. Überlege dir nun eine ganz konkrete Situation in der naheliegenden Zukunft, in der dieser Tipp wirklich zum Einsatz kommt. Zu welcher Zeit, an welchem Ort wirst du diesen Tipp tatsächlich brauchen und anwenden? Im Büro deines Chefs, im Konferenzraum mit deinen Kunden oder KollegInnen, oder zuhause am Schreibtisch? Spiele die Situation einmal in Gedanken durch und beobachte, was sich in deiner Wahrnehmung verändert.

 

Innere Knoten lösen

 

Was sind typische „verzwickte Situationen“ für den eigenen Mentor?

  • fehlende Lern- und Arbeitsmotivation, Prokrastination
  • Überforderung, Überlastung
  • Unsicherheiten und Ängste (vor Prüfungen, Präsentationen, Vorträgen, Gesprächen…)
  • Unzufriedenheit
  • Mutlosigkeit
  • Grübeleien
  • zu hoher Erwartungsdruck an sich selbst

 

Noch ein paar Empfehlungen aus der Praxis:

Einsatz in Gruppen:

Wenn du den „eigenen Mentor“ in Gruppen einsetzt, dann leitest du ihn als Selbstcoaching-Methode an. Jede(r) Teilnehmende bearbeitet die oben beschriebenen Schritte für sich selbst. Schön ist es, wenn du nach der Durchführung noch etwas Zeit und Raum gibst, gemeinsam zu reflektieren und Fragen zu stellen.

Einsatz bei dir selbst:

Wenn du die Methode bei dir selbst einsetzt, dann möchte ich dir sehr ans Herz legen, freundlich zu dir selbst zu sein. Tipps, die sich so anhören wie „jetzt gib dir einen Ruck und raff dich endlich auf“ oder „stell dich nicht so an, so schwer kann es doch nicht sein“ zeugen nicht gerade davon, dass du viel Verständnis für deine eigene Situation hast. Vielmehr sind sie ein Zeichen von Selbstkritik und Ablehnung dir selbst gegenüber. Davon haben wir meistens schon genug! Der eigene Mentor spricht zu dir wie ein guter Freund, jemand, dem wirklich daran liegt, dass es dir besser geht.

Einsatz im Online-Coaching:

Der eigene Mentor passt ganz wunderbar in den Online-Raum. Erst letzte Woche habe ich dazu eine schöne Rückmeldung bekommen, und zwar von einer Klientin, die sich zunächst recht zurückhaltend gezeigt hat, als ich sie dazu ermutigt habe, sich mit Hilfe des eigenen Mentors zwischendurch immer wieder mal selbst zu coachen. Sie erzählte mir, dass sie die Methode jetzt immer dann anwendet, wenn sie vor Prüfungen merkt, dass sie sehr nervös wird.

Sie hat also einen Weg gefunden, sich selbst zu helfen, und zwar bevor die Angst zu groß werden und eventuell zu einem Blackout führen kann. Das hat mich wirklich sehr für sie gefreut.

Während des Coachings biete ich den KlientInnen an, dass sie gerne ihre Kamera ausmachen können, sodass sie sich nicht von mir beobachtet fühlen und sich ganz auf sich selbst konzentrieren können.

Lasse dir Zeit:

Es ist wie bei jeder guten Methode: gib dir selbst Zeit, dich an die Methode heranzutasten und sie auszuprobieren. Gib nicht auf, wenn sie nicht sofort die gewünschte Wirkung zeigt. Vielleicht hast du dir selbst einen Tipp gegeben, der in diesem Moment einfach nicht gut umsetzbar ist? Dann setze eine Stufe tiefer an. Oder überlege, was du einem guten Freund raten würdest, der mit demselben Problem hilfesuchend an dich herantritt. Das hilft manchmal dabei, die ersten guten Tipps zu finden.

 


 

Ich wünsche dir gute Erkenntnisse beim Ausprobieren des eigenen Mentors!